Und da kommen wir zum 2. Grundprinzip
Es ist wichtig, dass wir Eltern die Führung für die Kinder übernehmen. Wir begleiten sie ins Leben, wir sind der Leuchtturm. Es ist sogar unsere Aufgabe, ständig klare, deutliche Signale geben, damit Kinder im Lauf der Zeit lernen, einen sicheren Kurs zu halten. Dabei setzt Juul bei Konflikten auf das Prinzip: „Mehr Entspannung, mehr Dialog, weniger Machtkampf“. Das kommt dir vermutlich ja auch sehr entgegen, oder?
Dabei gibt es Verhandelbares und nicht Verhandelbares. Das Rad muss nicht jeden Tag neu erfunden werden. Gleichwürdigkeit hat nichts mit antiautoritärer Erziehung zu tun!
Aber Kinder brauchen keine bestimmende Erziehung, sondern eher Erklärung – also eine verantwortungsvolle Begleitung durch die Eltern, die Auseinandersetzungen nicht vermeiden, sondern sie konstruktiv lösen. Wichtig ist eben auch, dass wir ihnen nicht alles abnehmen und schon gar nicht denken, wir müssten alle Bedürfnisse irgendwie erfüllen. Das wird ja leider in der bedürfnisorientierten Erziehung oft missverstanden. Sowohl von Gegnern, als auch zum Teil von den Müttern selbst. Nein, es geht im Prinzip um das Gegenteil: Die Kinder möglichst in die Verantwortung nehmen, ihren Beitrag zum Familienleben zu leisten. Und zwar von Anfang an. Dadurch fühlen die Kinder ihren Selbstwert und können diesen ausbauen. Ein so wichtiger Baustein für ein erfolgreiches Leben später.
Aber wie bekommst Du jetzt Dein Kind dazu, Verantwortung zu tragen, Dinge zu tun, auf die es keinen Bock hat, Wutanfälle zu regulieren, etc.?
Erstmal also: Annehmen. Du solltest seine Abwehr, seine Reaktion ernst nehmen. Und erstmal so sein lassen. Dann sprich mit deinem Kind… das geht. Wirklich .. von Anfang an. Natürlich antwortet es dir am Anfang noch nicht mit Sprache. Aber es antwortet mit Reaktion. Probiere Dinge aus und schau, wie dein Baby reagiert. Und probiere so lange, bis du eine Lösung hast, die für euch beide passt. Das ist wichtig, es muss für euch beide passen. Dann passt es. Höre dabei in dich hinein, höre auf das, was du brauchst und was dein Kind braucht.
Bei älteren Kindern, wenn sie schon reden können, kannst du folgendes probieren: „Beim Suchen von Lösungen können die Kinder einbezogen werden, indem man ihnen die verschiedenen Bedürfnisse aufzeigt und sie fragt, ob sie einen Lösungsvorschlag hätten.“
Mit dieser Methode lerne der Nachwuchs nicht nur das Grundprinzip der Demokratie, sondern könne auch eigne Erfahrungen machen. Das fördere das Selbstgefühl beziehungsweise das Selbstwertgefühl.
Also mal ein Beispiel: Zähneputzen diskutiere ich nicht mehr mit meinen Jungs. Und das sag ich dann auch: Leute… Zähneputzen diskutiere ich nicht mehr. Klar, versuchen sie es trotzdem. Aber da werde ich dann auch mal deutlich. Ich bin der Leuchtturm. „Abmarsch jetzt… husch husch“.. und meistens klappt es dann auch. Weil ich darüber Klarheit habe.
Aber auch das war natürlich ein Weg dahin. Und als sie noch kleiner waren, hab ich schon viel versucht, ihnen das Zähneputzen „schmackhaft“ zu machen.. im wahrsten Sinne des Wortes mit leckerer Zahnpasta, die sie sich selbst aussuchen durften. Eine Weile durften sie auch mit einer App Zähneputzen. Ich habe sie also dahin begleitet. Aber jetzt mit 6 und 7 ist dann auch mal genug schischi, jetzt müssen so einfache Dinge einfach funktionieren.
Eigentlich frage ich sie immer öfter nach ihren eigenen Lösungsvorschlägen. Manchmal bin ich so eingefahren, dass ich es vergesse, dass es diese geniale Lösung gibt.
Also zusammengefasst: Traditionelle Erziehungsmethoden gehen davon aus, dass das Kind ein unfertiges Wesen ist, das wir zu einem fertigen erziehen müssen. Der Ansatz von Jesper Juul, dem dänischen Erziehungsexperten besagt das Gegenteil: Kinder sind von Anfang an kompetent und wir können von Anfang an von ihnen lernen.